Was ist Neurozentriertes Training?

24. Juni 2025

Was hat es mit dem modernen und effektiven Ansatz der „Neuroathletik“ in Training und Therapie auf sich? Gemeinsam wollen wir hier auf grundlegende Aspekte und Erkenntnisse dieses Ansatzes eingehen und anhand eines kurzen Fallbeispiels aufzeigen, wie dieser Ansatz strukturiert und systematisch angewendet werden
kann.

Grundlegend beschäftigt sich der Neurozentrierte Ansatz (Synonyme: Neuroathletik, Neurobasiert, …) mit der Frage, inwiefern das Nervensystem und speziell das Gehirn einen Einfluss auf Schmerzen, Bewegung, Kraft, … hat und wie durch gezielte Interventionen dies positiv beeinflusst werden kann. Es handelt sich hierbei also um einen Ansatz in Training und Therapie, der das Nervensystem und dabei speziell das Zentrale Nervensystem in den Fokus und Mittelpunkt setzt und so einen Perspektivwechsel herbeiführt, der es ermöglicht das gesamte System zu betrachten. Das Nervensystem arbeitet vereinfacht dargestellt in drei Schritten: Es erhält Informationen (Input) – es verarbeitet und interpretiert diese Informationen (Verarbeitung) – es generiert einen für die Situation passende Reaktion (Output) in Form von Bewegung, Schmerz, …

Der Neurozentrierte Ansatz fokussiert sich hierbei auf die Optimierung des Inputs und der Verarbeitung, um schlussendlich automatisch einen verbesserten und gewünschten Outcome in Form von Bewegungsoptimierung, Schmerzreduktion, Leistungssteigerung, … zu erzielen.

Das gesamte System betrachten
Der große und entscheidende Vorteil und die Weiterentwicklung des Neurozentrierten Ansatzes gegenüber klassischen Ansätzen ist die Berücksichtigung und die Betrachtung des gesamten Systems aus der Perspektive des Nervensystems.

Der Ansatz ermöglicht die systematische Testung und den Aufbau von trainingstherapeutischen Interventionen in den für das Nervensystem wichtigsten Systemen:

  • Atmung – Energie- und Sauerstoffversorgung
  • Propriozeptives System – Stellung und Lage des Körpers im Raum
  • Visuelles System – Aufnahme und Verarbeitung visueller Informationen
  • Vestibuläres System – Orientierung / Stabilisierung in Relation zur Schwerkraft
  • Interozeptives System – Wahrnehmung des „Körperinneren“

Die Möglichkeit durch den Neurozentrierten Ansatz all diese Systeme systematisch und strukturiert in Training und Therapie integrieren zu können und mit klassischen Behandlungs- und Trainingsansätzen, die eher einen biomechanischen Ansatz verfolgen, kombinieren zu können, stellt einen wesentlichen Vorteil und eine
entscheidende Weiterentwicklung des Neurozentrierten Ansatzes dar. 

Die Bedeutung von Bedrohung und Sicherheit für das individuelle Nervensystem 
Das Fundament des Neurozentrierten Ansatzes ist das Wissen über Bedrohung und Sicherheit für das individuelle Nervensystem. Erfährt ein Nervensystem aufgrund des Inputs (eingehende afferente Signale) Bedrohung wird es sog. Schutzoutputs in Form von Schmerz oder Bewegungseinschränkung generieren. Dies gezielt zu erkennen und durch individualisierte Interventionen in Therapie und Training zu lösen, wird durch den Neurozentrierten Ansatz ermöglicht. Dadurch entsteht ein neurobiomechanischer Ansatz, der sowohl die biomechanischen Strukturen (Hardware des Körpers) als auch das zentrale Steuerungselement „Gehirn“ (Software des Körpers) berücksichtigt.

Fallbeispiel:
Patient: m, 36 Jahre, Rückenschmerzen seit > 1,5 Jahren mit belastungsbedingter Ausstrahlung in das rechte Bein, Gehirnerschütterung nach Fahrradunfall vor ca. 2,5 Jahren

Auffälligkeiten in der Neurozentrierten Testung  (nach dem Neuro Performance Therapiekonzept):

  • Instabilität im Gang
  • Schlechtes Atemmuster, insbesondere in der Ansteuerung des Zwerchfells und der dreidimensionalen Ausdehnung in der tiefen Atmung auf der rechten Seite
  • Vestibuläre Auffälligkeiten auf der rechten Seite, basierend auf neurofunktioneller Testung mit Romberg Test, Unterberger Tretversuch und spezifischen vestibulären Tests
  • Gestörte Sensibilität im Bereich des N. Femoralis rechtsseitig
  • Motorische Ansteuerungsprobleme von Becken und BWS

Neurozentrierte Trainings- und Therapieintervention  (nach dem Neuro Performance Therapiekonzept):

  • Zwerchfellatmung mit Fokus auf Atmung in die rechte Seite in Kombination mit einer verlängerten Ausatmung und Stimulation des N. Vagus am linken Ohr
  • Spezifisches vestibuläres Training zur Aktivierung bestimmter Bereiche des rechten Vestibularorgans
    o Rechter-posteriorer Bogengang durch eine blickstabilisierende Übung
    o Utrikulus durch eine horizontale Beschleunigung
  • Neuromechanische Mobilisation des N. Femoralis mit Fokus auf dem Becken als mobilisierendes Gelenk / mobilisierender Bereich
  • Mobilisation der BWS mit Neuro Mobility Übungen in einer rechtsrotierten Stellung des Oberkörpers

Therapieeffekte:

  • Unmittelbare Schmerzlinderung und Bewegungsoptimierung in Einheit 1
  • Deutliche Steigerung der Beweglichkeit und Bewegungsfreiheit nach 4 Wochen
  • Deutliche Schmerzreduktion nach ca. 7 Wochen
  • Schmerz- und Bewegungsfreiheit nach 11 Woche

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